
Geschätzte Anwesende.
Bevor ich meine Absicht von dieser persönlichen Erklärung im Namen der AL erläutere, wünsche ich mir von Ihnen Fairness. Respekt und Akzeptanz.
Fairness – weil ich Ihnen auch zuhöre.
Respekt – weil ich Ihnen diesen auch entgegenbringe.
Akzeptanz – weil uns das miteinander verbindet, weil wir alle hier im Parlament die Anliegen und Bedürfnisse der Gesellschaft, in der wir leben, vertreten. Alle hier – auf eine eigene Art und Weise, mit Überzeugung.
Deshalb nutze ich mein Recht und nehme hier einige Minuten in Anspruch.
Ich rede für die Menschen, welche ich im Parlament repräsentiere und diese Verantwortung möchte ich auch in diesem Thema wahrnehmen. Unabhängig davon, dass jeder Konflikt einer zu viel ist auf dieser Welt. So sind viele Menschen auch bei uns, aktuell mit den Nachrichten aus dem Nahen Osten beschäftigt. Auch ich. Ob ich mich in meinem privaten Umfeld oder in meinem Berufsalltag gegen Antisemitismus einsetze, mich klar gegen die Massnahmen der aktuellen israelischen Regierung positioniere oder ob ich versuche, die Kette von Ereignissen, die vor oder nach 1897 in Basel zu diesem aktuellen Genozid geführt haben, zu erklären. Ich bin immens damit überfordert.
Auch wenn ich an dieser Stelle nur auf Gemeindeebene spreche. Ich bin den Bewohnerinnen und Bewohnern dieser wunderschönen, von Konflikten verschonten Stadt verpflichtet. Denen, die auch dieser Meinung sind. Symbolpolitik oder nicht. Für sie spreche ich hier.
Auch wenn dieser Genozid noch nicht juristisch als solcher deklariert wurde. Liegt es im Auge der betrachtenden Person, die Realität heute schon anzuerkennen.
Meines Erachtens befinden wir uns bezüglich der Israel / Palästina Situation noch nicht in der Aufarbeitungsphase dieses schrecklichen Kapitels. Wir befinden uns immer noch in der Mobilisierungsphase. Und ich finde es wichtig, sich auch auf kommunaler Ebene zu mobilisieren. Sich für Gerechtigkeit einzusetzen. Und glauben Sie mir, ich fühle mich tagtäglich wiederkehrend wie ein Heuchler, denn auch bin Zeuge. Ein stiller Zeuge dieser Massaker, die unser, vorherrschendes System mitträgt, welches solche Geschehnisse indirekt fördert, indem es sich nicht klar positioniert. Zudem ist mir bewusst, dass wir als Schweiz eine enge Beziehung zu Israel pflegen. Historisch, aufgrund unseres lukrativen gemeinsamen Handels und unserer Freundschaft. Genau deshalb ist es wichtig, Stellung zu beziehen. Weil es richtig ist, es einem Freund zu sagen, wenn er etwas Falsches tut. Auch wenn viel zu spät.
Ich bin mir bewusst, dass jeder bewaffnete Konflikt komplex ist. Doch ich bin ebenso überzeugt, dass die Missachtung fundamentaler Menschenrechte nie relativiert werden darf. Genau hier setzt mein Appell an: Es ist an der Zeit, Stellung zu beziehen. Auch auf kommunaler Ebene. Auch aus der Schweiz.
Unsere Geschichte, unsere diplomatischen Beziehungen und unsere humanitären Grundwerte verpflichten uns, aktiv zu werden.
Das bedeutet konkret, lieber Stadtrat, liebes Stadtparlament:
- Unterstützen Sie die bestehenden Appelle an den Bundesrat und fordern Sie klare Positionierungen gegenüber der israelischen Regierung. Positionieren Sie sich als Stadtrat auch gegenüber dem Kantonsrat und allen Weiteren Ebenen bis zur höchsten Schweizer Instanz.
- Fördern Sie friedlichen Protest und sichern Sie die Meinungsfreiheit – besonders dort, wo Kritik schnell als Extremismus diffamiert wird. Setzen Sie sich dafür ein, dass weiterhin an unseren Hochschulen die Meinungsfreiheit geschützt wird und sorgen Sie dafür, dass unser Recht auf das Demonstrieren auch in Winterthur ungebrochen bestehen bleibt.
- Investieren Sie in Bildungs- und Aufklärungsarbeit gegen Hass – sei es Antisemitismus, antimuslimischer Rassismus oder andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.
- Ergreifen Sie diplomatische Mittel – Gespräche, Resolutionen – die deutlich machen, dass die Schweiz für das Völkerrecht und für Gerechtigkeit einsteht. Im Sinne der Genfer-Konvention, der UNO-Kinderrechtskonvention sowie der UNO-Behindertenrechtskonvention.
- Beteiligen Sie sich an internationalen juristischen Prozessen, die alle Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen – unabhängig von ihrer Seite.
Auch wenn manche diese Rede als Symbolpolitik bezeichnen mögen – ich glaube an die Kraft der Worte, an ihre Fähigkeit zur Mobilisierung. Politik beginnt nicht nur in Bern oder Berlin. Sie beginnt auch hier – mit unserem Mut zur Haltung.
Deshalb spreche ich heute für all jene, die diesen Weg der Gerechtigkeit mitgehen wollen – für all jene, die sagen: Nicht in unserem Namen. Nicht schweigend.